25. April – Dr. Seward

Dr. Sewards Tagebuch

    (phonographisch aufgenommen)

     

    25. April

    Heute mangelnder Appetit. Kann nichts essen, habe keine Ruhe, daher also Tagebuch. Seit meiner gestrigen Enttäuschung habe ich ein Gefühl der Leere; nichts in der Welt scheint mir noch von hinreichender Bedeutung, mich damit zu beschäftigen … Da ich weiß, dass die einzige Kur für derartige Zustände die Arbeit ist, ging ich hinunter zu meinen Patienten. Ich suchte mir denjenigen von ihnen heraus, dessen Studium mich am meisten interessiert. Er ist so wunderlich in seinen Ideen, dabei aber so verschieden von den gewöhnlichen Irren, dass ich mich zu dem Versuch entschloss, so tief wie möglich in seine Vorstellungswelt einzudringen. Heute war es mir, als sei ich näher als je daran, seinem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

    Ich befragte ihn eingehender, als es sonst meine Gewohnheit ist, mit der Absicht, die Inhalte seiner Halluzinationen zu erfassen. In der Art meines Verfahrens lag, wie ich jetzt einsehe, eine gewisse Grausamkeit: Ich habe versucht, ihn in das Zentrum seines Wahns zu treiben, ein Vorgehen, das ich sonst meide wie den Schlund der Hölle. 

( Anm. Unter welchen Umständen würde ich den Abgrund der Hölle eigentlich nicht vermeiden?)

Omnia venalia Romæ

Auch die Hölle ist käuflich.

Wenn mein Instinkt hier richtig liegt, so ist es von wissenschaftlichem Interesse, das von Anfang an festzuhalten, ich fange also am besten gleich damit an:

    R. M. Renfield,

Sanguinisches Temperament. Große körperliche Kraft, krankhaft reizbar, Perioden des Wahnsinns auf der Basis einer fixen Idee, der ich nicht auf die Spur kommen kann. Ich schicke voraus, dass sein sanguinisches Temperament im Zusammenwirken mit äußeren störenden Einflüssen seelisch erschöpfende Anfälle auslöst. Vielleicht ein gefährlicher Mann, wahrscheinlich gefährlich, wenn sein Dämmerzustand eintritt. Bei normalen Menschen ist die Vorsicht ein ebenso sicherer Schutz gegen sich selbst wie gegen Feinde. Was ich über die Sache bis jetzt denke, ist, dass, wenn sein Selbstbewusstsein im Mittelpunkt steht, die zentripetalen und die zentrifugalen Kräfte ausbalanciert sind. Wird aus irgendeinem Grund dieser Mittelpunkt verschoben, so überwiegen die letztgenannten Kräfte, und es kann nur ein Anfall oder eine ganze Reihe von Anfällen einen Ausgleich schaffen.